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Ein komplettes halbes Jahr musste ich auf mein geliebtes Hobby verzichten. Der Corona Lockdown im März vertrieb mich damals aus der Region meines Gewässers, da ich in einem anderen Bundesland wohne. Was danach folgte, war einfach nur ein berufliches durcheinander und die Zeit zum Angeln war wie weggeblasen. Ich muss gestehen, wirklich vermisst habe ich meine Passion in der Zeit nicht, da ich durch verschiedene Gründe ein wenig auf Kriegsfuß mit dem Karpfenangeln stand. Es mag sein, dass die lange Zeit genau das richtige war, um meine neu gewonnene Einstellung zum Angeln zu überdenken. Das tat ich auch, sobald ich mal beruflich ein wenig durchpusten konnte und Ende August flammte sie dann doch wieder auf, die Leidenschaft, am Wasser und in der Natur zu sein. Wie eigentlich jedes Jahr setze ich mir Ziele, die ich erreichen möchte. In den letzten Jahren habe ich den Fehler gemacht und mich nur auf gewisse Fische konzentriert, die ich unbedingt fangen muss und den eigentlichen Fokus auf das Karpfenangeln verloren. Das bewusste genießen beim Einatmen der frischen Luft, das Gezwitscher der Vögel und das beobachten in der Natur waren für mich nicht mal mehr zweitrangig, sondern ich (musste) unbedingt Fisch A und B fangen, alles andere war unwichtig. Um es in meinen Augen ehrlich zu beschreiben: Ich habe mich zu einen 0815 Szene Angler entwickelt und als mir das bewusst wurde hasste ich mich dafür.
Ich setzte also meine Ziele neu um das zu retten, was ich Jahrzehntelang gepflegt habe: Ich gehe nicht Angeln um auf Teufel komm raus erfolgreich zu sein, sondern um mein Stresspegel auszugleichen, mich selbst zu erden und die Natur zu schätzen und zu genießen. Ich bin mir sicher, wenn ich das wieder verinnerliche kommt der Rest von alleine und ich finde den Spaß an meinem eigentlich so tollem Hobby schnell wieder. Unter diesem Aspektpunkt aus organisiere ich mir Mitte September eine Session über 3 Nächte zusammen mit meinem Arbeitskollegen, der selbst kein Angler ist. Ich möchte, dass der Spaß im Vordergrund steht und dem Kollegen zeigen, wie schön es am Wasser sein kann, um selber schnell wieder Fuß zu fassen.

Am Wasser angekommen, trifft mich erst einmal der Schlag! Blau- und Grünalgen en Masse sorgen dafür, dass das Wasser wie eine Schlammsuppe aussieht. Beste Vorraussetzungen sind das nicht gerade, aber ich lasse mir die Laune dadurch nicht verderben und bin trotzdem frohen Mutes, dass ich erfolgreich sein kann. Vor allem freue ich mich, endlich wieder draußen zu sein und baue das Tackle auf. Kurze Zeit später spreche ich mit einem guten Kollegen, um ihn über die Algen in Kenntnis zu setzen. Daraufhin sagt er mir, dass dies und auch das Beißverhalten der Fische schon seit Wochen so mies ist. Nun ja, denke ich mir, bleib gelassen und versuche einfach die Zeit zu genießen! Und tatsächlich, ich habe schon sehr lange nicht mehr so entspannte Tage am Wasser verbracht.

Ich habe meinem Arbeitskollegen das komplette Karpfenangeln erklärt, wir haben fein gespeist, uns hingelegt wann wir wollten, ein Buch gelesen oder ruhige Musik gehört. Und da ist es auch wieder schnell gewesen, das Gefühl, genau zu wissen, warum man dieses Hobby schon so lange macht. Ich bin mir sicher, ich werde mit dieser Einstellung noch ganz viele Jahre Freude an meiner Passion haben! Aber ich möchte euch ja jetzt nicht nur etwas über mein Seelenleben schreiben, obwohl die vorherigen Zeilen schon eine Lektion zeigen sollen: Kein Fisch und vor allem kein Like auf Instagram oder Facebook ist es wert, dass man vergisst, warum man dieses wunderbare Hobby eigentlich macht. Wir können uns glücklich schätzen, immer wieder ein Teil der Natur zu sein und in ihr zu leben und alles von ihr aufzusaugen! Und jetzt noch ein paar weitere Worte zur Session…

Die Algen machen mich nachdenklich. Normalerweise kommt man hier gut an die Fische ran, wenn man großflächige Futterplätze anlegt. Jedoch sind die Fische nicht großartig aktiv und viel Futter, was eventuell nicht gefressen wird, macht die Wasserqualität nicht besser. Vor allem gehe ich davon aus, dass andere Angler trotzdem abgekippt haben an den üblichen Stellen und somit noch genügend Boilies und Partikel auf dem Grund liegen. Ich entschließe mich, kleine Fallen in der Nähe kleinerer Büsche zu platzieren. Mehr als 300 Gramm Yellows pro Spot kommen nicht rein, da die Bereiche eh in den natürlichen Zugrouten der Fische liegen. Wenn also ein paar Karpfen in der Nähe Hunger haben sollten, werde ich sie auch fangen. Ein paar Meter abseits des Futterplatzes platziere ich jeweils ein IQ D-Rig mit einem Cork Wafter. Ich verzichte damit auf auffällige Pop Up’s und biete den vorsichtigen Fischen damit einen Köder an, der erstens leichter als ein Bodenköder einzusaugen ist und zweitens, wie ein normaler Bodenköder aussieht. Meine Meinung, dass Vertrauen in der aktuellen Lage mehr bringt als die Neugier der Fische anzusprechen stellt sich schon relativ schnell als goldrichtig heraus. Zwar fing ich erst einmal nur kleinere, dafür wirklich hübsche Fische, aber ich bin froh und glücklich, überhaupt erst einmal wieder Fische in den Händen halten zu können und anscheinend alles richtig gemacht zu haben.

Am zweiten Tag um die Mittagszeit lege ich mich auf die Liege und höre ein wenig Musik. Viel Zeit zum genießen habe ich nicht, da nach kurzer Zeit mein Bissanzeiger aufschreit. Nach kurzem, aber knackigen Drill hatte ich einen besseren Fisch im Kescher. Als ich ihn begutachte, biss es auf der zweiten Rute. Mitten im Drill ist es dann soweit und meine dritte Rute feuert auch los. Was ist denn hier los? Drei Bisse innerhalb von 10 Minuten, ein Doppeldrill und die Gewissheit schon ein guten Fisch gefangen zu haben, Wahnsinn! Zum Glück geht alles glatt und ich kann alle Fische sicher landen, wobei der letzte Fisch mir einiges abverlangt hat. Mir flutscht das Herz in die Hose, als ich sehe, was da gerade passiert ist. Drei gefangene Fische über 30 Pfund und tatsächlich ist ein Fisch dabei, den ich die Jahre davor immer verkrampft fangen wollte. Es ist eine goldene Stunde, das ist mir in diesem Moment klar und vielleicht habe ich mir diesen Fisch auch bewusst erst jetzt verdient, wo ich die Erkenntnis besitze, dass ich nichts erzwingen kann und ich mir keinen Druck machen darf, um mit Freude meinem Hobby nachzugehen.

Ich bin ein glücklicher Mann, nicht etwa weil ich gerade drei große Fische gefangen habe, sondern weil ich vieles über mich und mein Verhalten gelernt und positiv umgesetzt habe. Ab jetzt wird jede Session noch bewusster gelebt und der Spaß am Angeln wird hoffentlich nie wieder in Frage gestellt!

Auf schöne Momente am Wasser!

Jan Brase