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Sind Karpfen eigentlich schlau? Ich denke nicht, dass Karpfen sonderlich schlau sind, aber was ich weiß und wovon ich ganz fest überzeugt bin, ist, dass Karpfen sehr lernfähig sind. Die Fähigkeit bezieht sich sowohl auf positive als auch auf negative Verhaltensweisen bei unseren Lieblingsfischen. Karpfen sind dressurfähig! Wieso sollte man sonst auch Anfüttern gehen, nicht wahr? Teichbesitzer kennen dieses Verhalten ganz besonders, egal ob Koi oder normale Karpfen. Die Tiere erkennen Menschen sogar am Schrittschall, laut einiger Fischzüchter. Nun münzen wir diese Überlegung mal auf unser Hobby um und schauen uns das Verhalten von Fischen an, welche unter regelmäßigem Angeldruck stehen. Ich habe bereits sehr viele Erfahrungen an sogenannten Szenepools sammeln können und habe, bedingt durch meine schöne Heimat, auch Gegenbeispiele nahezu jungfräulicher Gewässer kennengelernt. Die Unterschiede sind nicht von der Hand zu weisen und regelrecht augenöffnend.

Ich möchte in diesen Zeilen erzählen, wie ich mit Angeldruck umgehe und wie ich es schaffe, trotz dieser erschwerten Umstände, regelmäßig eine nasse Abhakmatte zu bekommen. Ich denke, den meisten Anglern muss erst einmal bewusst werden, was mit Angeldruck gemeint ist. Denn nicht nur das aktive Angeln sorgt bereits für ein verändertes Verhalten der Fische. Auch das alleinige Ankommen am Gewässer, gerade an sehr kleinen Gewässern, versetzt die Fische schnell in Unruhe – wenn das angesprochene Gewässer unter hohem Angeldruck steht. Nun werden sich evtl. einige Fragen, woher ich diese Überzeugung habe. Nun ja, wenn man an einem gut besetzten Gewässer angelt und die Fische sich durch Springen zeigen, kann man sich sicher sein, dass zumindest ein paar Karpfen in dieser Region anzutreffen sind. Wenn man dann die Drohne steigen lässt und einen großen Schwarm entdeckt, hat man einen guten Grundstein für eine erfolgreiche Session gelegt. Nun passierte Folgendes: Ich war im Inbegriff zu moven, als ich plötzlich einen PKW mit Hänger sah, der etwa 100m entfernt des Aufenthaltsortes der Fische parkte. Auf der Drohne konnte ich sehen, dass der gesamte Schwarm (ca. 50 Fische) das Areal verließ. Nicht fluchtartig, nein ganz im Gegenteil, die Fische zogen in aller Ruhe aus der Ecke heraus und sind auch während der nächsten 4 Tage nicht wieder zurückgekehrt. Dies konnte ich kontrollieren, weil ich den Bereich aus größerer Höhe immer wieder abgeflogen bin. Die Fische standen dann plötzlich auf der gegenüberliegenden Seite des Sees. Nun könnte man behaupten, das Wetter hatte sich geändert oder ähnliches, aber nein, das war nicht der Fall. Luftdruck blieb nahezu gleich, die Windrichtung änderte sich auch nicht. Keine großen Veränderungen außer, dass der „neue“ Angler mit seinem Futterboot täglich die Ruten kontrollierte. Grund genug für die Fische, das Areal zu meiden! Ich packte daraufhin meine Sachen und platzierte mich in der Nähe des neuen Aufenthaltsortes. Resultat: 12 Stunden – 17 Fische! Danach war der Spuck vorbei, denn mein ausgeübter Angeldruck hatte die Fische mal so richtig vergrämt. Somit bezog ich wieder meine alte Stelle, die zentraler im Seebereich gelegen war. Während meines Umzugs baute ein weiterer Angler an der von mir vorher befischten Stelle auf. Da ich wusste, dass dieser Bereich verbrannt war, machte es mir nichts aus. Ich konnte in den folgenden zwei Tagen noch vereinzelt Fische fangen, aber nicht in der Menge. Was aber auffiel war, dass auch der andere Angler mit seinem Futterboot nun vereinzelt Bisse bekam. Die Fangserie in der einen Nacht hatte den Bestand komplett gesprengt und in kleinere Gruppen aufgeteilt. Diese fühlten sich scheinbar in keiner Ecke oder in keinem Bereich mehr so wirklich wohl und fingen an, umherzuziehen. Auch mit der Drohne konnte ich nur noch vereinzelt kleinere Gruppen entdecken. Wir sprechen hier von einem recht kleinen Gewässer mit 7ha Größe. Somit konnten die Fische nicht weit sein und auch die Tiefe ist überschaubar. Der neue Angler, der meinen Platz übernahm, blieb jedoch komplett fischlos! Mein Fazit aus dieser Session war damit: Karpfen reagieren sofort, auch wenn nicht panisch, auf potenzielle Bedrohungen und meiden die Bereiche, vorerst zumindest. Wenn die Fische keine ruhige Ecke mehr finden, da der Druck am Gewässer insgesamt zu groß wird, verteilen sie sich und werden wieder fangbar. Denn eines müssen Fische zwangsläufig und das ist fressen! Was sie jedoch richtig geschockt hatte, war die Tatsache, dass sie in ihrer kurzzeitigen Holding Area von mir rausgepflückt wurden. Damit war der Bereich für die Fische mit einer so großen Bedrohung behaftet, dass dieser erstmal komplett gemieden wurde.

Ein anderes Beispiel habe ich an einem tiefen Baggersee erlebt. Zusammen mit meinem Kumpel waren wir dort für 4 Tage fischen. Die Vorbereitungen liefen gut. Wir waren im Rhythmus alle 2 Tage insgesamt 3x vorfüttern. Die Erwartungshaltung war entsprechend groß, da wir alleine am See waren und der Angeldruck in Summe niedriger ist als im Beispiel oben. Ich fasse mich an dieser Stelle etwas kürzer. Wir kamen zügig an Fisch und konnten innerhalb der ersten 2 Nächte 9 Läufe verzeichnen. Für ein Gewässer mit gerade mal ca. 40 Fischen ein super Ergebnis. Doch nach 2 Nächten kam nichts mehr. Wir wunderten uns nicht sonderlich, da wir bereits eine Vermutung hatten. Die letzten Tage war ziemlich viel Trubel auf den Plätzen gewesen. Auch die Hauptbeißzeiten ließen uns im Stich, dennoch waren wir der festen Meinung, dass Fische vor Ort waren und auch fraßen. Am letzten Mittag machten wir die Probe und es war eindeutig. Alle Plätze (6 Stück) waren restlos leergefressen! Der Seeboden war kahl, außer unserer Hakenköder war nichts mehr zu finden. Die Unterwasserkamera zeigte es eindeutig. Über den ganzen Spot waren kleine Krater verteilt – genau dort, wo die Fische die Boilies, Tigernüsse, den Mais und auch den Hanf gefressen hatten. Wir fütterten jeden Tag 2 Kilo Futter pro Spot und der Angeldruck hatte die Fische so vorsichtig gemacht, dass jegliches Vertrauen durch die vorherigen Fütterungen nach 2 Nächten komplett zerstört war. Wie häufig hört man, dass man auch auf Langzeitfutterplätzen den Druck so niedrig wie möglich halten soll. Auch hier spiegelte sich dieses Verhalten wieder. Die Fische reagieren prompt mit Argwohn und teilweise ängstlichem Verhalten auf solche Situationen.

Ich könnte noch diverse weitere Beispiele dieser Art bringen, möchte euch aber eigentlich nur damit ein bisschen verdeutlichen, was unsere Anwesenheit am Wasser für Auswirkungen auf das Fischverhalten hat. Egal ob hart beangelter Szenepool, wie im ersten Beispiel, oder Gewässer mit deutlich weniger Fischen und weniger Angeldruck.

Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass an sehr stark beangelten Gewässern schon die Anwesenheit der Angler am Ufer dazu führt, selbst wenn die Ruten noch gar nicht im Wasser liegen, die Fische aus einem Bereich schon vertrieben sein können. Sobald der Schall ins Wasser übertragen wird, egal ob über Autotüren, zu lautes Auftreten oder den Aufbau der Ausrüstung (Manche hauen ja sogar ihre Zeltheringe mit dem Hammer in den Boden!) machen sich die Fische aus dem Staub oder ändern ihr Fressverhalten dramatisch und das nicht zugunsten unserer Angelmethoden.

Ich wünsche euch viele schöne Momente am Wasser und Petri Heil

Euer Thomas