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Sonntagmorgen, 04. Oktober, ca. 06:30Uhr… der Schlagschnurknoten gleitet durch die Ringe meiner Rute. Erst jetzt fange ich an Druck aufzubauen. Aufgrund von vielen Muscheln, scharfen Kanten und einer gewissen Distanz zur abgelegten Montage, habe ich auf dem Weg zum Fisch bisher nur drucklos Schnur eingekurbelt. Sofort streckt sich die Schnur in Richtung Schilf. Im Schein der Kopflampe drücke ich das Faltboot immer weiter der Schlagschnur entlang in den breiten Schilfgürtel hinein. Plötzlich bemerke ich ein Klatschen, nur wenige Meter vor mir. Ein massiver Spiegler steht direkt unter der Wasseroberfläche. Mit einem glücklichen Griff erwische ich die Schlagschnur nur unweit weg von ihm und kann den Kescherkopf geschickt in einer Schilflücke einfädeln. Artig folgt der Fisch dem Druck auf der Schnur und ich kann ihn im ersten Versuch per Hand in den Kescher manövrieren.
Breit grinsend und voller Freunde rudere ich durch den dichten Nebel zurück zum Angelplatz und wecke meinen Kumpel Stefan mit den Worten „Ich hab nen Dicken abgeschöpft!“

Da ist was ,,dickes“ drin

„Ich hab nen Dicken abgeschöpft!“

Abenteuerland Mecklenburg

Bereits seit einer Woche waren wir zu diesem Zeitpunkt im schönen Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Wieder einmal hatte uns die Corona-Pandemie einen Strich durch alle Frankreich-Pläne gemacht und wir suchten ein Ersatz-Abenteuer für unseren Herbst-Trip außerhalb von Risikogebieten. Nach anfänglicher Enttäuschung konnten wir uns ein paar Tage vor der Tour auch endlich wieder motivieren und freuten uns auf uns unbekannte Gewässer und die unendliche Weite Mecklenburgs. Zunächst hatten wir glücklicherweise recht zügig einen Platz im Wald an einem mittelgroßen Natursee gefunden. Kurz nachdem wir unsere Brollys aufgestellt hatten bestätigte sich nämlich die Wettervorhersage und heftiger Dauerregen machte sich für fast 24 Stunden breit.
Treu nach dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, lediglich schlechte Kleidung“ verbrachte ich einige Zeit auf dem Wasser und fand erfolgsversprechende Spots, die ich mit reichlich Tigernüssen und „Yellow’s“ in verschiedenen Größen präparierte.
Nach zwei Schleien ließ auch der erste Karpfen nicht lange auf sich warten. Genau zur Mittagszeit, als sich der Starkregen endlich verzogen hatte, donnerte meine mittlere Rute unaufhaltsam los und ich konnte kurze Zeit später meinen ersten Mecklenburger Spiegelkarpfen verhaften.

Mein erster Mecklenburger hatte ordentlich Power in den Flossen

Auch an den folgenden beiden Tagen lief genau diese Rute, die mit einem „Yellow“ Schneemann bestückt, am Fuß eines Plateaus platziert war,  jeweils einmal ab und bescherte mir kampfstarke, wilde Spiegler.
Leider tat sich an den anderen beiden Ruten absolut nichts. Auch bei meinem Angelkumpel blieben die Spots unberührt. Deshalb entschieden wir uns am fünften Morgen das Gewässer zu wechseln. Zum einen hatten wir die Hoffnung, vielleicht an einem anderen See mehr als nur einen Spot „ans Laufen“ zu bekommen. Zum anderen wollten wir aber auch einfach mehr sehen, mehr erleben, neue Ufer erkunden und unberührte Pfade finden.

Es lief nur am Plateau – schöne Färbung

Einige Kilometer später hatten wir uns bereits sechs Gewässer zwischen 50 und 300 Hektar angesehen und standen auf dem kleinen Parkplatz eines hübschen Natursees. Im Vorfeld hatten wir zu diesem recht tiefen Gewässer ein paar Informationen bekommen, wonach sehr wenig Fische, dafür aber auch recht große Exemplare ihre Bahnen ziehen.
Leider machte sich bereits die Dunkelheit der Nacht breit und wir entschließen uns, etwas uneinig, ob wir uns dieser Herausforderung stellen oder am nächsten weitere Gewässer unter die Lupe nehmen sollten, die Nacht auf dem Parkplatz zu verbringen. Ein paar kühle Getränke und eine Mütze voll Schlaf sollten wieder für neue Energie sorgen.
Als die Sonne am nächsten Morgen die Kronen der Bäume passierte, hatten wir bereits die Boote beladen und stachen in See. Wir wollten uns der Herausforderung stellen. Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns einen unangenehmen Blank einfangen würden.

Meine Boiliemische aus Yellow & Stinky

Gegenüber dem ersten Gewässer, fingen wir am neuen See auf allen Ruten Fische – sogar recht schnell und regelmäßig. Allerdings waren es lediglich große Brassen, welche regelmäßig unsere Futterplätze aufsuchten.
Der eingangs beschriebene große Spiegler hatte sich auf einem kleinen Futterplatz vor dem Schilfgürtel an einer Insel den Bauch vollgeschlagen. Dort hatte ich ‚Yellows‘ in verschiedenen Größen, gesoakt in ‚Yellow‘ Liquid verteilt. Als Hakenköder war wieder auf den guten, alten Schneemann am Blowback-Rig Verlass.
Ansonsten konnten wir versuchen was wir wollten, es ließen sich keine weiteren Karpfen überreden. Gerade auch deshalb bekommt der große Spiegler bei mir einen noch höheren Stellenwert. Am Freitagmorgen, einen Tag früher als geplant, packten wir unsere sieben Sachen und machten uns auf den Heimweg.

Schneemann am Blowback Rig – darauf ist Verlass

Wie in einer anderen Welt

Insgesamt war es wieder eine richtig coole Tour. Naturseen wie im Bilderbuch. Wenn man lang genug sucht, findet man auch Fleckchen, wo man seine Ruhe hat und außer dem einen oder anderen Bootsangler keine Menschenseele sieht. Glasklares Wasser, kampfstarke Fische und eine große Portion Abenteuer – so liebe ich es!