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Schon seit Jahren verbindet mich mit Kumpel Marvin eine Freundschaft, die aus dem Karpfenangeln entsprungen ist und zwar auf einer Messe vor vielen Jahren. Wir waren uns schon vom ersten Gespräch an sympathisch und es war uns auch egal, wer mit was und unter welcher Flagge fischt. Diese Freundschaft hat auch schon gut was mitgemacht, sei es eine Ködernadel durch meinen Zeigefinger mit anschließender OP im Krankenhaus, nur ein paar Stunden später mit 17,6kg Schuppi auf der Hand oder einfach die Gewissheit, dass alles anders kommt, als man es eh plant. So geschehen dieses Jahr…

Jeder von euch kennt das, das Jahr 2020 war fest im Würgegriff von Corona und schon fast täglich gab es neue Erkenntnisse, Theorien aber vor allem Regeln. Marvin und Ich fischen eigentlich mindestens einmal im Jahr zusammen für eine Woche. Leider wohnen wir ziemlich weit auseinander, sonst wäre es sicherlich noch öfter der Fall. Schon 2018 haben wir, weil auch seine Freundin Clarissa mal mit wollte, bei The Carp Specialist für den Oktober einen Paylake ausgesucht, weil dies gerade für Frauen komfortabler ist. Da aber schon seit September die Zweite Coronawelle in Frankreich stark vertreten ist, ist es sehr unklar, ob wir die Reise überhaupt antreten können. Die Telefonleitungen glühen, ein Plan B muss zur Sicherheit her und so mancher Abend qualmt der Kopf, weil es gar nicht so leicht ist ein Ausweichgewässer zu finden, wo wir zu dritt hin können. Schlussendlich konnten wir uns einigen und waren für den Fall der Fälle vorbereitet.

Am Tag der Abreise zu Marvin, mein Auto fertig beladen und ich gedanklich doch in Frankreich, kommt dann auf dem Weg die Information, dass unser Department nun auch Risikogebiet ist und wir uns die Reise sparen können. Mal wieder kommt es anders als geplant, so wie es eigentlich immer ist, wenn wir zusammen fischen sind. Zum Glück haben wir ja den Plan B in der Tasche, aber eine Sache trotzdem nicht bedacht. Wir wollen ein Szenegewässer befischen und unser Start in die Session beginnt auf einem Samstag. Bei unserer Ankunft am See wird uns schnell klar, dass hier alles voll beackert wird, der ganze See ist voll mit anderen Anglern und die paar Stellen, die noch frei sind, sind zu klein für 3 Leute oder jemand anderes füttert schon seit Ewigkeiten da, wird uns erzählt. Herzlich Willkommen im Wahnsinn des Karpfenangelns! Wer mich kennt, weiß, dass ich solche Seen eigentlich meide, weil ich Ruhe vor fetten Fischen bevorzuge. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als den kompletten See abzulaufen und eventuell noch eine freie Stelle zu bekommen. Tatsächlich, in der hintersten Ecke in einer kleinen Bucht war noch ein Platz frei. Ich persönlich muss mich erst einmal mit dem Gedanken anfreunden, eine Woche auf einer Stelle zu hocken, wenig Angelfläche beanspruchen zu können und um mich herum fahren die Futterboote kreuz und quer durch das Gewässer und spannen alles ab. Ich habe ein ungutes Gefühl, muss damit aber jetzt erstmal leben.

Im strömenden Regen bauen wir unsere Camps auf und bereiten unsere Ruten vor. Ich kenne das Gewässer überhaupt nicht und setze daher auf altbewährte Rigs. An einem IQ D-Rig binde ich einen Yellow Cork Wafter an, dieser legt sich unter Wasser schwerelos über den Haken und lässt sich von den Karpfen leichter und tiefer einsaugen und der Haken hat mehr Fläche im Maul, um dran haften zu bleiben. An der anderen Rute kommt ein Multirig mit einem White& N-Butyric Pop Up zum Einsatz. Hier setze ich auf das Prinzip Neugier der Fische. Die Gewässerstruktur ist extrem unterschiedlich, von extrem abfallenden Kanten bis kleinen Plateaus ist alles vorhanden, teilweise in Meterschritten geht es auf und ab. Daher entscheiden auch wir, mit Marvin sein Futterboot die Montagen rauszufahren und mit GPS punktgenau abzulegen. Ich lege die Wafter Rute auf ein kleines Plateu in 6,5m Wassertiefe, ein paar Meter davor und dahinter geht es wieder runter auf 9m. Die andere Rute lass ich in Ufernähe auf 3,3m ab, bevor es kurz dahinter auf 7m abfällt. Somit habe ich verschiedene Tiefenbereiche abgedeckt, Marvin nahm sich noch andere Wassertiefen vor, damit wir im Laufe der Zeit einfach sehen, in welcher Tiefenregion es läuft und wo nicht.

Viel füttere ich nicht, da alle anderen Angler auch mehr als genügend Futter einbringen und ich die Fische mobil erwarte, da sie ja auch wissen, dass Schnüre im Wasser sind. Deshalb sollten es pro Rute circa 300 Gramm Yellow Boilies mit dem passenden Baitpowder und Hanföl richten, dazu noch ein wenig Dosenmais und Hanf, alles gut durchgemixt und ab ins Futterboot. Somit habe ich höchstattraktives Futter am Grund liegen und die ziehenden Fische kommen schnell zu meinem Hakenköder.

Dieser Plan sollte auch relativ gut aufgehen. Die erste Nacht ist zwar insgesamt am ganzen See ruhig, aber direkt nach dem Aufstehen bekomme ich einen ersten zaghaften Biss. Vor der Rute hockend beobachte ich das Schauspiel und entschließe mich nach kurzer Zeit, die Rute in die Hand zu nehmen. Ich spüre meinen Gegner, allerdings ist der Drill schnell erledigt und der erste Karpfen liegt im Netz. Ich bin happy, damit habe ich nicht unbedingt gerechnet. Im Laufe der Woche wird schnell klar, dass die Futtertaktik genau die richtige ist. Ich bekomme relativ schnell Bisse nach dem Ablegen und zu meiner Freude werden die Drills von mal zu mal brachialer und ich brauche teilweise knapp 20 Minuten für einen Fisch. Und es ist alles dabei, herrlich gefärbte Spielgler, lange dicke Schuppis, und vor allem Marvin hat Glück und fängt richtige Beautys! Insgesamt können wir am Ende der Woche trotz den Umständen zufrieden sein, wir haben gut gefangen, eine schöne, wenn auch regenreiche Zeit gehabt und das wichtigste: Wir haben uns mal wieder gesehen!

Auch wenn unsere Pläne meistens zunichte gemacht werden ist es immer wieder ein Erlebnis mit dir, mein Freund! Auf weitere mit dir und Clarissa! 🙂

Jan Brase